Das digitale Zeitalter hält mit einer rasanten Geschwindigkeit Einzug in beinahe alle kommerzielle und private Lebensbereiche. Hierauf versuchen Unternehmen durch Digitalisierung ihrer bestehenden Geschäftsmodelle oder der Erschließung neuer Geschäftsmodelle wirkungsvoll zu reagieren. Wer nicht mitzieht, gerät früher oder später ins Abseits. Dabei lässt sich eine Dringlichkeit in vielen Fällen kaum abschätzen, denn neue, teils disruptive Produkte und Geschäftsmodelle von neuen Marktteilnehmern schießen wie Pilze aus dem Boden. Ob diese dann auch jeweils erfolgreich sein werden, kann nur die Zeit zeigen … dennoch, in der Vergangenheit haben bereits einige zunächst belächelte Startups etablierte Platzhirsche auf die hinteren Plätze verwiesen.
Der Artikel befasst sich mit der Rolle des Projektmanagements als Kernkompetenz der Digitalen Business Transformation.
Die Digitale Business Transformation beinhaltet zwei wesentliche Hauptkomponenten:
die kreative (Re)-Definition der Geschäftsmodelle mit Ihren Produkten, Prozessen und Akteuren über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und
die technische Realisierung der unterstützenden Anwendungen nach den Regeln des digitalen Zeitalters über Web-Technologien, Any-Device-Apps, Self-Registration und anderen, diese jedoch immer unter Berücksichtigung stillschweigend angenommener und intensivierter Basisanforderungen an Sicherheit, Performance und Always-Anywhere-On.
Die besondere Herausforderung liegt in der Notwendigkeit, diese beiden Komponenten, die prozessuale Sicht auf die Geschäftsmodelle und die funktionale technologische Umsetzung ständig in Einklang zu bringen und zu halten. Dies ist zunächst nichts neues, aber das Projektumfeld wird immer unberechenbarer, die gewaltige Marktdynamik sorgt schon während der Projektlaufzeit für einige, teilweise gravierende Veränderungen und auch die Entwicklung der neuen Geschäftsmodelle unterliegt einer zunehmenden Try-on-Error-Mentalität, denn Time-to-Market sticht die professionelle Markt- und Wettbewerbsanalyse. Analyse – Lastenheft – Pflichtenheft – Go ist in den meisten Fällen Schnee von gestern, denn diese Vorgehensweisen sind viel zu aufwändig, zu langsam und zu starr. Lean und Agil sind in diesem Umfeld nicht nur Hip, sondern in vielen Fällen unumgänglich.
Die Digitale Business Transformation (DBT) erfordert trotzdem – oder gerade aufgrund – der hohen Komplexität und Dynamik ein hohes Maß an Struktur und Disziplin. Komplexität und Dynamik bedeuten in erster Linie Unsicherheit und Veränderung und diesen begegnet man am besten mit den Methoden und Werkzeugen des Projektmanagements, das genau für solche Situationen geschaffen wurde.
Einzelmaßnahmen der DBT sollten über Projekte umgesetzt werden, müssen dabei aber immer als Teil der übergeordneten Gesamtstrategie der Transformation gesehen werden, ansonsten entstehen inkonsistente Lösungen. Daher könnte die DBT auch als Programm definiert werden über das die einzelnen Projekte koordiniert werden. Es müssen strategische, technologische und organisatorische Annahmen getroffen und immer wieder (fortlaufend) hinterfragt, angepasst und in allen Projekten der DBT berücksichtigt werden.
Die Projekte der DBT, insbesondere diejenigen, die sich unmittelbar oder mittelbar mit den Geschäftsanwendungen befassen, sind schon für sich alleine gesehen sehr vielschichtig:
Sie müssen sich an strategischen und damit teilweise noch recht unscharfen Zielen orientieren,
sie müssen sich auf aktuelle Anforderungen konzentrieren und auf zukünftige vorbereiten,
sie müssen laufend technologische und prozessuale Anforderungen miteinander abgleichen,
die Lösungen müssen strukturiert und dennoch flexibel sein (und bleiben), denn es muss damit gerechnet werden, dass sich die Anforderungen noch während der Projektlaufzeit oder zumindest nach einer relativ kurzen Betriebszeit bereits wieder ändern,
die Anwender müssen behutsam und strukturiert an die Lösungen herangeführt werden, besonders vor dem Hintergrund, dass sich diese wieder sehr schnell ändern können. Nicht nur die Benutzerschnittstellen müssen dem in besonderer Weise Rechnung tragen.
Für das Projektmanagement bedeutet dies:
Es müssen strategische Kompetenzen im Projektmanagement entwickelt werden
Projekte sollten Teil eines strategischen DBT-Portfolios oder -Programms werden, um eine Vielzahl von strategischen, funktionalen, terminlichen und organisatorischen Abhängigkeiten abzustimmen
Die erforderlichen Fachkompetenzen nehmen aufgrund der hohen organisations-internen und -externen Vernetzung der DBT und damit seiner Projekte zu und dies bereits in relativ kleinen Teilprojekten. Zu diesen Kompetenzen zählen z.B. das Anforderungsmanagement, das Prozessmanagement, das Veränderungsmanagement, das Schnittstellenmanagement, sowie die Anforderungen an Usability, Portabilität, Agilität, Sicherheit, Operationalisierung und nicht zuletzt die Einbindung heterogener Anwender- und Stakeholdergruppen.
Für das Management bedeutet eine DBT in vielen Unternehmen unter anderem, dass Projekte gefühlt immer länger laufen und es entsteht teilweise der Eindruck, dass sie chaotisch geführt und teilweise gar nicht mehr abgeschlossen werden. Dies ist der hohen Dynamik des Umfeldes geschuldet und hieran muss man sich einfach gewöhnen. Ein Ansatz, die Erwartungshaltung hier etwas zu verändern, ist es, die Lösungen gar nicht mehr über Projekte zu erstellen und anzupassen, sondern als Produkte zu definieren, die über ihren gesamten Lebenszyklus an laufend neue Anforderungen angepasst werden. Dies ändert an der Sache zunächst nicht unbedingt sehr viel, schafft aber ein passenderes Mindset für agile und lean Initiativen. SAFe (Scaled Agile Framework) verfolg diesen Ansatz sehr konsequent und versucht dabei genauso konsequent, die Bezeichnung „Projekt“ zu vermeiden.
Die DBT wird in vielen Unternehmen häufig zunächst als ein großes Vorhaben begonnen, um die wichtigsten Grundlagen zu schaffen, technologisch wie organisatorisch. Sie sollte sich dann zu einer festen Institution etablieren, denn es ist unwahrscheinlich, dass sich die geschilderte Dynamik wesentlich abkühlen wird.
Das Projektmanagement muss dazu in vielen Organisationen, in denen es immer noch mehr oder weniger als ein Werkzeugkasten oder eine Disziplin für gelegentliche Maßnahmen und Veränderungen gesehen wird, einen anderen Stellenwert erhalten und neue Wege gehen. Die Business Transformation ist nichts neues, aber ihre Zyklen werden immer kürzer, in einigen Bereichen sind sie bereits on-going und ihre Inhalte werden immer komplexer. Die Digitalisierung ist ebenfalls immer dabei, denn sie hat bereits alle Bereiche durchdrungen.
Unternehmen werden über kurz oder lang mehr personellen Aufwand in die Projektarbeit stecken, als in Ihre Kernwertschöpfungsketten, denn letztere werden in hohem Maße automatisiert werden. Das Projektmanagement muss daher als Kernkompetenz fest in den Unternehmen etabliert werden und Organisationsstrukturen, Führung und Controlling müssen sich dem entsprechend anpassen. Dies führt zu einer verbesserten Resilienz der Unternehmen.