Ihre Mitarbeiter können das!
 – Warum ohne sie nichts geht in Ihrem Softwareprojekt

„Herr Schmidt, unser Auftragsmanagement ist ein einziges Kraut und Rüben. Wir haben kaum Transparenz und jeder Bereich dokumentiert auf seine eigene Weise, eine Excel-Tabelle hier, ein Word-Dokument da … aber wir schaffen uns ja jetzt ein neues ERP-System an … dann wird alles besser.“

„Da haben wir bei der Implementierung natürlich einiges aufzuräumen, damit wir zumindest die langlaufenden Aufträge in die neue ERP-Lösung bekommen.“

„Ja ok, aber dazu brauchen wir entsprechende Spezialisten, unsere Leute können das nicht.“

Diese Einschätzung höre ich nicht selten von Unternehmern. Und sie erzeugt bei mir immer ein sehr großes Stirnrunzeln.

Ihre neue Software braucht es ordentlich

Ja, es stimmt: Wenn Sie, zum Beispiel als Ingenieurdienstleister, mit Ihrem Unternehmen viele unterschiedliche und teils langlaufende Kundenprojekte gleichzeitig betreuen, deren Zahl ja durchaus in den vierstelligen Bereich gehen kann – dann werden diese Kundenprojekte wahrscheinlich auch in sehr unterschiedlicher Weise dokumentiert: in Papierordnern, Excelsheets, diversesten Checklisten. Das hängt ja auch immer von der Art der Projekte, der Branche des Kunden und weiteren Anforderungen ab.

Und ja, es stimmt: Irgendwie müssen Sie all das in die neue Software einspielen. Das ist keine triviale Aufgabe. Im Gegenteil: Das ist hochkomplex. Natürlich können Sie sagen: Wir benutzen das neue System nur für neue Projekte. Aber wenn die alten Projekte noch drei, fünf oder mehr Jahre laufen: Wann wollen Sie denn mit der Umstellung auf das neue System fertig werden? Und sollen die Projektleiter in der Zeit bis dahin mit zwei verschiedenen Systemen arbeiten? Das kann nicht die Lösung sein.

Ihre neue Unternehmenssoftware braucht Ihre Mitarbeiter

Es hilft nichts: Das Alte muss ins Neue. Und jetzt komme ich zu meinem Stirnrunzeln. Denn ich frage mich: Wer kennt sich denn in Ihren Kundenprojekten aus, weiß, was Stand ist, welchen Anforderungen sie unterliegen, was wie gehandhabt werden muss – wenn nicht Ihre Projektleiter? Und wer weiß denn am besten, was ihre neue Software leisten können muss, wenn nicht ebenfalls Ihre Mitarbeiter?

Oder andersherum gefragt: Wenn Ihre Kundenprojektleiter hier kein Licht ins Dunkel bringen können, wie soll es denn dann ein externer Berater können? Auch der kann nur über Nachfragen bei denen, die täglich in den Projekten arbeiten, herausfinden, was gebraucht wird.

Kurz: Wenn Sie ein neues System implementieren und so konfigurieren wollen, dass es wirklich die gewünschte Verbesserung für Ihr Unternehmen bringt, dann müssen Sie Ihre Mitarbeiter einbinden. Die Informationen, die Sie brauchen, um die Software für Ihr Unternehmen zu optimieren, finden Sie in hohem Maße nur in Ihrem Unternehmen.

„Meine Mitarbeiter können das nicht“: Sagen Sie das nicht!

Oft ist die Behauptung, dass die eigenen Leute es nicht können, auch nur eine Ausrede. Tatsächlich verbirgt sich dahinter die verständliche (und zutreffende) Sorge, dass der Unternehmer seine besten und wichtigsten Leute für diese Aufgabe immer wieder aus dem Tagesgeschäft rausnehmen muss. Auf den ersten Blick sind sie dann natürlich nicht wertschöpfend. Aber auf lange Sicht gesehen gilt: Je intensiver Sie Ihre Mitarbeiter in den Prozess der Software-Implementierung einbinden, desto zielgerichteter und schneller kann die Software angepasst werden und desto erfolgreicher wird sie den Zweck erfüllen und die Verbesserung bringen, die Sie sich von ihr für Ihr Unternehmen erwarten.

Dass ein Unternehmer seinen Mitarbeitern etwas nicht zutraut, kann aber auch auf etwas ganz anderes hindeuten. Ich glaube zum Beispiel nicht, dass ein Ingenieur, der erfolgreich Projekte leitet, nicht in der Lage sein sollte, elementare Aufgaben des Projektmanagements zu beherrschen. Ich glaube eher, wenn „die Leute es nicht können“, liegt es daran, dass sich niemand die Mühe gemacht hat, es ihnen zu erklären oder dass man es ihnen aus anderen Gründen bisher nicht zutrauen wollte. Hier zeigt sich also ein Führungsdefizit: Wenn Sie Ihre Mitarbeiter nicht angemessen schulen und qualifizieren, dann können sie es nicht können.

Machen Sie Betroffene zu Beteiligten!

Und das ist ein weiterer Grund, die Mitarbeiter in den Prozess der Softwareimplementierung eng einzubeziehen. Es geht nicht nur darum, das Chaos im Projektmanagement zu beseitigen, um die Software einführen zu können. Es ist auch eine einmalige Chance, den Mitarbeitern zu erklären, worauf es dabei ankommt, sie zu qualifizieren, Wissen aufzubauen, einen Lerneffekt zu erreichen. Der führt im günstigsten Fall dazu, dass Ihre Mitarbeiter das neue Wissen schnell umsetzen und ihren aktuellen Projektbestand bereinigen können. So machen Sie die von der Umstellung Betroffenen zu Beteiligten. Ich nenne das intrinsische Motivation.

Und wenn dann am Ende die neue Software eingeführt wird, werden Ihre Mitarbeiter keine Riesenschulung mehr brauchen.

Diesen Lerneffekt erreichen Sie nicht, wenn ein externer Spezialist wichtige Aufgaben in der Softwareimplementierung übernimmt und dann ein Manual an die Projektleiter übergibt, in dem steht, wie sie in Zukunft was wie einpflegen müssen. Wenn die externen Berater den internen Projektleitern nicht alles sauber erklären, ist nichts gewonnen – und das ursprüngliche Chaos wird sich über kurz oder lang wieder ausbreiten.

Übrigens: Nach dem Projekt ist vor dem Projekt. Stellen Sie sich und Ihre Mitarbeiter darauf ein, dass Sie Ihre neue Geschäftssoftware auch in Zukunft immer wieder anpassen müssen, weil sich auch die Rahmenbedingungen für Ihre Produkte und Dienstleistungen am Markt laufend ändern. Und das wird umso besser und reibungsloser gelingen, je mehr Ihre Mitarbeiter bei der Erstimplementierung beteiligt waren – je projektfähiger sie sind.

Best Practice? Bitte nicht!

Zum Schluss noch ein ganz kurzes Wort zu einer Strategie, die ich auch schon erlebt habe. Mancher Unternehmer denkt sich: Wir sparen uns die langwierige und ressourcenintensive Anpassung der Software an die Verhältnisse in unserem Unternehmen. Wir kaufen einfach die Best-Practice-Software und passen dann unsere Arbeitsweise an sie an. Klingt zuerst einmal wie ein gangbarer Weg – funktioniert aber meistens nicht. Warum es nicht funktioniert, das können Sie in meinem Blog „Tappen Sie nicht in die Feature-Fucking-Falle!“ nachlesen.

Ihr

Michael G. Schmidt

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