„Zwei Millionen offene Stellen und 400 000 mehr Menschen, die in Rente gehen werden als aus der Schule in den Berufsbereich einmünden“, so der Deutsche Bundestag in einer Parlamentsnachricht Ende November 2022. Das Resümee des Artikels mit der Überschrift „Fachkräftemangel als Fortschrittsbremse“: „Der Fachkräftemangel bleibt nach Energie- und Klimakrise die größte Herausforderung für die deutsche Wirtschaft.“
Der Fachkräftemangel drohe zu einer „Transformationsbremse“ zu werden, so der Bundestag. „Ich habe zu wenig fähige Leute!“, so höre auch ich oft. Und wenn Sie sich umschauen, dann entdecken Sie diesen Mangel an qualifizierten Leuten überall: Brauche ich beim Ausbau meines Hauses einen Handwerker, weil ich etwas nicht selbst kann, heißt es warten. „Keine Leute verfügbar.“ Ist bei meiner Harley eine Inspektion fällig oder eine Reparatur, an die ich mich nicht heranwage: „Aktuell keine Termine frei, keine Leute“.
Ein gewaltiges Problem. Was können Sie aber tun, wenn es bei Ihnen im Unternehmen nicht vorangeht, weil Ihnen die richtigen Leute fehlen?
Fachkräftemangel hausgemacht
Der Fachkräftemangel auf dem Arbeitsmarkt ist in vielen Bereichen eklatant. Hier ist eine kurzfristige Lösung nicht abzusehen. Aber Sie müssen vielleicht auch gar nicht auf eine solche Lösung warten. Warum? Weil es durchaus sein kann, dass wenigstens ein Teil des von Ihnen beklagten Fachkräftemangels hausgemacht ist. So kommen häufig die besten Leute, Ihre High Performer, ausschließlich an der Kundenfront zum Einsatz. Dabei könnten sie als Mentoren und Multiplikatoren im Unternehmen einen wesentlich größeren Wertbeitrag erzielen. Und zwar dadurch, dass sie Ihre Starter und Mit-Performer unterstützen oder auch Ihre Wertschöpfungskette zum Kunden hin optimieren.
Es kann sein, dass es in Ihrem Unternehmen mit den Change-Projekten nicht so recht vorangeht, weil Sie diese Projekte nicht strategisch genug angehen, sie also zum Beispiel nicht nach Dringlichkeit oder funktionalen Abhängigkeiten priorisieren. Hierdurch werden dann viel zu viele Projekte gleichzeitig gestartet, so dass Sie kritische Ressourcen Ihres Unternehmens über Gebühr beanspruchen.
Es kann auch sein, dass Ihnen ein Mehr an Fachkräften überhaupt nicht weiterhelfen würde, weil es gar nicht so sehr die fachlichen Fähigkeiten sind, die Ihnen fehlen, sondern eher organisatorische Kompetenzen zum Beispiel im Prozess- und Projektmanagement.
Was auch immer auf Ihr Unternehmen zutrifft, ich möchte Ihnen an dieser Stelle vor allem eines bewusst machen: Ja, da ist dieser faktische Mangel an Fachkräften am Markt. Aber es gibt ein paar Stellschrauben, an denen Sie drehen können, um die Folgen dieses faktischen Mangels abzufedern.
Denn wenn Fachkräftemangel in Ihrem Unternehmen einige hausgemachte Aspekte hat, dann können Sie das aus eigener Kraft auch ändern. Aber wie?
Fachkräftemangel strukturiert angehen
Mein erster Ratschlag an Sie ist: Gehen Sie in die Analyse. Wie gut ist Ihr Projektportfolio geplant – sowohl zeitlich als auch inhaltlich? Verschwenden Sie vielleicht zu viele Ressourcen, binden Sie vielleicht zu viele Mitarbeiter, weil Sie Ihre Projekte nicht sauber aufgesetzt haben? Vielleicht weil Ihnen die passende Strategie fehlt? Versuchen Sie, unvoreingenommen an Ihr Unternehmen und an die Aufgaben heranzugehen, die Sie als wichtig erachten, um Ihre strategischen Ziele zu erreichen. Sind diese Ziele – ganz unabhängig von der Manpower – überhaupt in der anvisierten Zeit realistisch? Oder könnten Sie diese Ziele sogar wesentlich effektiver – mit der gleichen Manpower – erreichen, wenn Sie wichtige Abläufe anders angehen?
Zwei meiner Erfahrung nach wesentliche Fragen in der Analyse, deren Beantwortung oft zu kurz kommt, sind: Welche Mitarbeiter brauchen Sie denn genau? Welche Kompetenzen sollen die Fachleute haben, die Sie für die Erreichung Ihrer unternehmerischen Ziele brauchen?
Die Analyse dieser Fragen kommt oft zu kurz, weil der Blick auf die Mitarbeiter und ihre Fähigkeiten gerne durch die Brille Schema F erfolgt. Damit meine ich, dass es sein kann, dass Sie einen zu engen Blickwinkel auf die Fähigkeiten haben, die Ihre Mitarbeiter mitbringen müssen. Zum Beispiel, weil Sie sich zu stark an Zertifikaten orientieren, welche Ihre neuen Mitarbeiter haben sollten. Also zu stark an einer normierten Vorstellung, wie genau diese Fachkraft sein soll. Welchen Werdegang, welche Abschlüsse, welche Berufserfahrung … etc.
Aber wenn Sie nur nach Zertifikationen schauen, die Ihrer Vorstellung, was eine Fachkraft ist, entsprechen, fallen Ihnen viel hochqualifizierte Leute durchs Raster.
Mein nächster Rat ist: Suchen Sie nach Qualifikationen, nach Skills, zum Beispiel auch so Soft Skills wie Neugier, Lernbereitschaft, Leidenschaft. Und zwar bei Ihnen im Unternehmen. Ich bin mir sicher, dass Sie in Ihren eigenen Reihen Menschen haben, die begierig sind, sich die gebrauchten Fachkenntnisse draufzuschaffen. Wenn sie denn nur entdeckt und entwickelt werden.
Solche Menschen können Sie auch außerhalb Ihres Unternehmens finden, Mitarbeiter, die viele Qualifikationen und spannende Skills mitbringen – und die ebenfalls oft durch das Raster fallen, weil sie bei ihrem jetzigen Unternehmen halt auch nach Schema F eingestuft werden. Oder Anfänger. Schauen Sie nach vielversprechenden Berufsanfängern, diese sind motiviert, engagiert, vor allem aber sind sie mit Blick auf genau die Fähigkeiten, die Sie in genau diesen Projekten brauchen, entwicklungsfähiger.
Und ich bin mir sicher, wenn Sie hierauf „genau“ achten, wenn Sie genauer wissen, wo der Mangel an Fachkräften hausgemacht ist und welche Leute Sie genau brauchen – dann gelingt es Ihnen, die Fortschrittsbremse des „Fachkräftemangels am Arbeitsmarkt so zu lösen, dass Ihre Projekte nicht mehr blockiert sind, es bei Ihnen vorangehen kann.
Michael G. Schmidt
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